Stefano Leoni, “Gottes pferdefüßiges Pferd” (2013)

Literarischer Anhang: Gottes pferdefüßiges Pferd(*)

In gewisser Hinsicht könnte der „Bildungsroman“ von Luthers Bewusstsein natürlich mit der zweiten Bekehrung enden, als seine Lebensgeschichte ins Licht der Ewigkeit eingeht. Allerdings haben wir die zweite Bekehrung vom „Happy End“ der Schilderung von 1545 ausgehend gedeutet, als das Licht der Ewigkeit Luther bereits zu blenden scheint und zu einem „Abgesang“ ähnlich jenem des Sokrates im „Phaidon“ zu inspirieren, der hier allerdings nicht auf das Jenseits, sondern auf die Vergangenheit bezogen ist und der Erbauung des Lesers dient. Doch 1519, als die Gnade das „simul“ in Luthers Bewusstsein einleitet, ist alles noch anders: Dieses simul kann keinesfalls Gegenstand des Bewusstseins werden, im Gegenteil – Luthers Bewusstsein wird zum Schauplatz des Kampfes zwischen Licht und Finsternis, zwischen Sein und Sinn eines jeden Dings coram Deo und coram homine, es wird zu dem Lasttier, um dessen Sattel Gott und Satan kämpfen, von dem Luther selbst in De servo arbitrio schreibt. Und von eben diesem simul als von einer „Phänomenomachie“ der Gnade ausgehend – gleich einem Kriegsroman, in dem man eine Schlacht gewinnen und den Krieg verlieren, den Krieg gewinnen und sein Leben verlieren, am Leben bleiben und seine Seele verlieren kann – sollte eigentlich Luthers gesamte literarische Produktion interpretiert werden.
Dann wären da noch die Rätsel rund um das, was wir als Augustinkomplex bezeichnet haben: Warum Luther auch nach der zweiten Bekehrung, eventuell mit den erforderlichen „Retractationes“, weder die Dictata – deren fehlende Teile, zusammen mit den anderen verlorengegangenen Schriften von 1515, ein Rätsel im Rätsel darstellen – noch die Römerbriefvorlesung veröffentlicht; warum er den Römerbrief nie wieder auslegt; warum ihm die Auseinandersetzung mit Erasmus stets Schwierigkeiten bereiten wird; warum er Augustin gerade in De servo arbitrio übergeht und warum er das Thema der Prädestination endgültig aufgibt; warum Augustin schließlich von Staupitz überlagert wird; und vor allem, warum Luther nie von seiner ersten Bekehrung spricht. All das verbindet sich zu einem „psychologischen Krimi“, und es wäre von „literarisch“ vorrangigem Interesse, dessen Schlüssel endlich zu finden.
Weiter oben hatten wir angemerkt, dass die Worte eines Vaters im Glauben keine „Literatur“ seien, dabei haben wir eigentlich selbst, von den ersten Zeilen dieses Aufsatzes an, eine Menge Literatur darüber produziert; konsequenterweise sollten wir nun also unsere literarischen Gedanken auch zu Ende spinnen – schließlich bezeichnet Luther selbst mehrmals, unter anderem auch in der Vorrede von 1545, die res indulgentiaria als „tragoedia“; dazu werden wir der wirklichen, großen Literatur einige Anregungen entnehmen und die luther’sche tragoedia in Form einer grob umrissenen Tetralogie nachzeichnen.
Die Phänomenologie der Gnade hat uns einen Augustinkomplex offenbart, der sich erst an Luthers Lebensende, nachdem die Gnade ihm offensichtlich endlich die Gabe des Vergessens geschenkt hat, in einer mystischen Umarmung löst. Er wirkt allerdings das ganze Leben des Reformators hindurch, insbesondere zwischen der ersten und der zweiten Bekehrung; nach dieser entwirrt und verwickelt er sich dann mehrmals – nach der Logik des simul, also aufgrund der beständigen Koexistenz von Sünde und Gerechtigkeit im gerechtfertigten Menschen – und manchmal impliziert er einen insgeheimen Verdrängungswunsch.
Wir sprechen hier von „Komplex“, von „Verdrängung“, ja man könnte sogar von einem „Vatermord“ wie etwa jenem des Ödipus sprechen, scheinbar im Sinne Freuds. Vielleicht beziehen wir uns aber auch auf eine viel ältere Form des „Vatermords“: Auf jenen, den der alte Plato, ohne jegliche Feindseligkeit oder Reue, im „Sophist“ an seinem „ehrwürdigen und furchtbaren“ philosophischen Vater Parmenides begeht. Darin kritisiert er grundlegend die unlösbaren Aporien seiner Lehre und löst diese durch eine gänzlich neue Philosophie, in der Sein und Nichtsein in ihrer Beziehung als voneinander „Anders-Sein“ denkbar werden – und vergisst einfach Sokrates, den Geburtshelfer, den „Mäeut“, durch den er zum Philosoph geboren wurde. Nun, auch Luther-Ödipus tötet sehr früh philosophisch, ohne jegliche Feindseligkeit oder Reue, in Augustin den Kirchenvater, den Vater der abendländischen Theologie, seines Ordens und seiner Universität, wie Plato es mit Parmenides getan hatte: Er kritisiert seine unlösbaren trinitarischen Aporien und löst sie durch eine gänzlich neue Philosophie, in der sich Sein und Nichtsein, auch Gottes selbst, in ihrer Beziehung zu uns als „coram-Sein“ entscheiden. Doch dieser theologische Vater aller war nicht auch sein Vater, da Luther noch nicht wirklich zum Theologen „geboren“ war, und tatsächlich sollte sich Augustins Tod bald als nur „philosophisch“ erweisen.
Kurzum: Als Luther sein „Verbrechen“ begeht, hat die eigentliche Tragödie noch nicht begonnen. Denn die paradoxe Gerechtigkeit der Vorsehung sieht, in Bezug auf Luthers philosophische Hybris, die Wiederkehr Augustins vor, durch den sich ihm endlich die neue Gnadentheologie erschließen wird; erst jetzt wird er als Theologe geboren und erkennt in Augustin den Vater. Doch gerade Luthers neue Philosophie hat unterdessen das moderne Zeitalter eingeleitet – in dem sich alles, bis hin zum Sein oder Nichtsein Gottes, in unserem Gewissen entscheidet – und die eigentliche Tragödie, die sich nun wie gesagt im Gewissen abspielen muss, beginnt erst jetzt. Denn einerseits kann erst jetzt tatsächlich der Drang entstehen, den eigenen Vater zu töten, auf der anderen Seite erkennt Luther, dass Augustin theologisch schon von der Kirche getötet wurde und dass es zu spät ist, ihn „einfach nur“ zu töten oder ihn „einfach nur“ zu rächen.
Die „neue“ Tragödie ist nun die der Frage nach dem „Sein oder Nichtsein“: Wird Luther die „Vergeltung“ gegenüber der Kirche, die ihn dazu führen wird, eine neue Kirche zu errichten, von seinem Gewissen mit seinen „theologischen“ Gründen diktiert, oder von Gott und von „christlichen“ Gründen, weshalb Augustin einfach vergessen werden muss, da er nicht mehr als Vater, sondern nur als „Mäeut“ und Werkzeug der Gnade anerkannt wird? Dies macht diese Vergeltung des Luther-Hamlets nunmehr unendlich schwieriger, zweideutiger, und letztendlich unvollendet, in einer modernen Tragödie, in der keine eigentliche Katharsis mehr möglich ist.
Luthers Bewusstsein bleibt also dem Augustinkomplex ausgesetzt, dem Versuch, Augustin zu verdrängen, dem unbewussten Wunsch, den mächtigen Vater zu töten, der im Mittelmeerraum geboren wurde, lateinisch gebildet ist und den vor allem ein „römischer“ Glaube auszeichnet; tatsächlich hat Augustin stets die Bedeutung seiner Kirche verteidigt („extra ecclesia nulla salus“), weshalb die Geschichte seiner „offiziellen“ Rezeption innerhalb der katholischen Kirche – hätte es in ihr nicht auch die Tragödie des Jansenismus gegeben – komisch wenn nicht gar grotesk anmuten könnte. Die römische Kirche ging in der Tat nie über jenes „excessive loquitur“ hinaus, das bereits damals zum „dictum commune“ geworden war, während Luther zu Recht Augustin völlig für Ernst nahm.
Vielleicht sollte sich die tragoedia aber durch eine andere Katharsis lösen, die in Luther sicher unvollendet, aber einmal mehr vorweggenommen ist, und diesmal um Jahrhunderte, in jenem außergewöhnlichen Frühjahr 1518: Hier konzentrieren sich in der Tat die Vollendung der Theologie der ersten Bekehrung – die in Heidelberg, im noch „pelagianischen“ Antipelagianismus der theologia crucis zu ihrem höchsten Ausdruck gelangt -, die Ankündigung des Glaubens der zweiten Bekehrung – die aber nur sehr schwach auf den modus gratiae hindeutet und sich somit als nur „pelagianisch“ christlich erweist – und die Versuchung, der ein coram Deo noch pelagianischer Luther, aufgrund des fehlenden modus gratiae, ausgesetzt ist.
In der Vorrede vom 4. Juni 1518 zur Gesamtausgabe des Werkes, nicht einmal eine Woche nach der Widmung an Staupitz, scheint Luther die „Teologia deutsch“ als idealen Ausdruck eines universellen Wissens „nehst“ die Bibel und Augustin zu stellen: „ist myr nehst der Biblien und S. Augustino nit vorkummen eyn buch, dar aus ich mehr erlernet hab und will, was got, Christus, mensch und alle dinge seyn“ (WA1, 378,21). In Wirklichkeit erkennt er aber, auf welchem Wege eine Katharsis erreicht werden könnte, und in der Tat gibt er am Ende der kurzen Vorrede an, welches die wahre Stellung der Theologia deutsch ist, nämlich nicht nur „neben“, sondern sogar „über“ der Bibel und Augustin: „Ich danck Gott, das ich yn deutscher zungen meynen got alszo hoere und finde, als ich und sie mit myr alher nit funden haben, Widder in lateynischer, grichscher noch hebreischer zungen“ (WA1, 379,8). Luther dankt also Gott dafür, dass er auf Deutsch von einem Gott lesen kann, wie er ihn nicht nur nicht in der lateinischen Theologie gefunden hatte, sondern auch nicht in den Sprachen der Heiligen Schrift; er sieht die angestrebte Katharsis näher rücken und er sehnt die Zeit der Erfüllung durch den mächtigsten modus der Moderne herbei, durch den das coram Deo-Sein zugleich coram mundo gestellt wird – das durch den Druck verbreitete Gebet: „Gott gebe, das diser puchleyn mehr an tag kumen, so werden wyr finden, das die Deutschen Theologen an zweiffell die beste Theologen seyn, Amen“ (WA1, 379,10).
Was „sieht“ nun, was „prophezeit“ Luther hier? Halten wir uns vor Augen, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der „wahren“ Philosophie (der modus loquendi theologicus) sowie der „wahren“ Theologie (die augustinische Gnadenlehre) ist, und dass er ahnt, dass der modus gratiae etwas ist, das zum Teil vielleicht noch fehlt; allerdings versteht er ihn noch nach dem „schwachen“ Schema des „aber auch“, als könnte die Gnade nichts weiter tun, als die Philosophie und die Theologie, die er sich bereits erschlossen hat, zu bestätigen und zu „rechtfertigen“; in der Tat hat er bereits begonnen, die intellektuelle Entwicklung, die zu deren Ausarbeitung geführt hat, als eine zugleich geistliche Entwicklung zu interpretieren, die unmittelbar von der Gnade bestimmt oder vielleicht auch nur „begleitet“ wurde. Kurzum, der theologisch bereits antipelagianische Luther begreift die Gnade insgeheim noch immer auf pelagianische Weise, als müsse sie den philosophischen und theologischen, intellektuellen und geistlichen Werdegang des Menschen nur begleiten und schließlich dessen Leistungen belohnen.
„Im Anfang war die Tat“, die Tat „muss“ sich aber naturgemäß im opus verwirklichen, Gott ist Gott nicht in sich, sondern nur außer sich in Christus, und Christus „muss“ in uns Gott werden: All das hat Luther-Faust noch vor allen anderen „philosophisch“ verstanden. Und dieses Werden ist, wie er „theologisch“ dank Augustin verstanden hat, ein Werk der Gnade; noch ist das aber vielleicht eine Gnade, die sich darauf beschränkt, dieses Werden zu begleiten und zu rechtfertigen, und die es im Laufe der Zeit endgültig bestätigen wird durch die Offenbarung coram mundo („Gott gebe, das wyr finden“) – und eben darin besteht Luthers „Vision“, seine „Prophezeiung“ – dass „die Deutschen Theologen”, die von Gott in einer Weise sprechen, wie Luther sie „Widder in lateynischer, grichscher noch hebreischer zungen“, also weder bei Augustin noch in der Schrift gefunden hatte, „an zweiffell die beste Theologen seyn, Amen.“ „Im Anfang war die Tat“; wenn aber bei der Umsetzung dieser Tat in uns der modus gratiae nicht gegeben ist, dann bleibt Gott auch coram nobis „in sich“, der Mensch bleibt auch coram Deo „in sich“, und keine Beziehung zwischen Gott und Mensch ist nimmermehr möglich.
Solch ein – fraglos sehr gefährliches – „pelagianisches“ Verständnis des modus gratiae bildet die Grundlage eines allumfassenden „Wissens“ über das coram Deo-Sein, durch das jenes – offensichtlich noch unvollständige –, das die Bibel und Augustin bieten, weiterentwickelt und „gerechtfertigt“ werden und in den deutschen Theologen endgültig zur „Vollendung“ kommen soll. Der Preis dieser Prophezeiung ist allerdings der Pakt mit Mephistopheles; und das Risiko, das Luther-Faust in unserer literarischen Hypothese durch die Einwilligung in diesen Pakt eingeht -dessen Tragweite ihm im Übrigen in keinster Weise bewusst ist -, beinhaltet, dass sich der Weg vor ihm erneut gabelt.
Dieser Pakt sieht nämlich vor – zum Preis der Rückkehr des „Spötters“, um einzufordern, was ihm zusteht –, dass es in dieser tragoedia, deren Hauptfiguren der Gott der Heiligen Schrift, Augustin und Luther sind, in der deutschen Theologie zur Selbsterfüllung einer kathartischen Auflösung kommt. Die von Luther im Juni 1518 in jener Vorrede „prophezeite“ Katharsis scheint sich natürlich zum Teil bereits in der von ihm entwickelten, „deutschen“ Theologie erfüllt zu haben; sie wird jedenfalls auf ihre Vollendung, abermals in der deutschen „Theologie“, ausgerichtet, und tatsächlich wird es schließlich in einem deutschen Geist zu einer vollständigen Katharsis, ja sogar zu einer Apokatastase kommen. Doch damit wird die Phänomenologie der Gnade auf die Phänomenologie des Geistes zurückgeführt, das Christentum auf die Theologie und noch weiter zurück auf die Philosophie, in einem diesmal endgültig verkehrten modus.
Andererseits sieht Hegel, der das Selbstzeugnis von 1545 sicherlich bereits seit seiner Tübinger Zeit gut kennt, darin wohl ein wunderbares Beispiel einer Phänomenologie des religiösen Bewusstseins: Vom gelehrten Theologen, der Luther anfangs „an sich“ ist, über den noch abstrakten Gegensatz dessen, was er durch die Erkenntnis, ein sündiger Mönch zu sein, „für sich“ wird, bis hin zur Aufhebung dieses Gegensatzes, durch die Luther im Glauben – der wiederum Gestalt des „absoluten Wissens“ ist – wieder zu dem gelehrten Theologen wird, der er zuvor war, nun aber „konkret“, „an und für sich“ und aus der Sicht „Gottes“, also des absoluten Geistes. Nicht von ungefähr scheint Hegel auch in autobiografischer Hinsicht auf diesen Text Bezug zu nehmen; es lässt sich nämlich unschwer erkennen, dass er sich in einem seiner Verweise auf Plato vielmehr auf sich selbst bezieht, und dass darin deutlich Luthers letzte Selbstidentifikation mit Augustin anklingt: „Plato studierte bei vielen Philosophen, gab sich lange, saure Mühe, machte Reisen, war wohl kein produktives Genie, auch kein dichterisches, sondern ein langsamer Kopf. Gott gibt es dem Genie im Schlafe. Was er ihnen im Schlaf gibt, sind dafür auch nur Träume.“
Fausts „literarische“ Tragödie nimmt allerdings einen anderen Verlauf, er wird nicht Mephistopheles ausgeliefert sondern erlangt – trotz oder vielleicht gerade dank des Hochmuts, der ihn der schlimmsten Gefahr ausgesetzt hatte – die Vergebung Gottes und die Erlösung. Auch in der von uns „literarisch“ nachgezeichneten tragoedia von Luther-Faust wird bald eine entscheidende Wende stattfinden, die ihn einem modus gratiae aussetzen wird, den der pelagianische Luther von 1518 nicht im Entferntesten ahnen konnte, und die ihn endgültig in Abrahams Schoß entlassen wird. Bewerkstelligen kann dies natürlich kein deus ex machina, sondern nur ein wahrer Gott, nur durch die unvorstellbare Macht der Gnade, und nicht nur, indem er „innerhalb“ des menschlichen Bewusstseins wirkt, sondern dieses ex novo erschafft. Suchen wir nun also nach diesem modus gratiae in der „Literatur“ eines „christlichen Schriftstellers“, der erkannt haben könnte, welches Risiko Luther eingegangen ist; ein Risiko, vor dem ihn allein die Gnade Gottes bewahrt hat. Der „Deutsche“, von dem hier die Rede ist, ist in der Tat in gewisser Hinsicht ein Erbe dieses Volksgeistes, und er scheint sich dessen in Adam schuldig und in Christus als „Büßer“ zu empfinden.
Dieser „Einzelne“ „erzählt“ uns allerdings in „Furcht und Zittern“, in einer brillanten psychologischen Analyse, nochmals die Geschichte Abrahams und bietet uns so den Schlüssel einer „christlichen“ Interpretation des Glaubens und der menschlichen Existenz selbst. Abraham ist bereit, dem göttlichen Befehl, Isaak zu töten, zu gehorchen – das heißt, er macht die menschlich höchste, doch mögliche „Bewegung der unendlichen Resignation“ – und gleichzeitig getragen von der einfachen, absoluten Gewissheit – die „Bewegung des Glaubens“, die nur die Gnade wirken kann –, dass Gott ihn ihm, „nach dem Absurden“, zurückgeben wird, und er wird schließlich glücklich, als sei nichts geschehen, mit dem Sohn der Verheißung leben. Gerade darin besteht das eigentliche Wunder oder, wenn man so will, der eigentliche Effekt, der Beweis, dass sich hier ein Wunder ereignet hat. Abraham war nämlich von Gott schon mehrmals auf die Probe gestellt worden: Zunächst als er sein Land verlässt, dann als Saras Schoß unfruchtbar wird; als aber Isaak auf wundersame Weise zur Welt kommt, scheint die Verheißung Gottes endlich in Erfüllung zu gehen. Doch dann befiehlt ihm Gott, seinen Sohn mit seinen eigenen Händen zu töten; Abraham „glaubt“ nun, dass die Erfüllung der Verheißung erst noch kommen muss und ist bereit, dem Willen Gottes zu gehorchen. Als Gott ihm schließlich Isaak endgültig zurückgibt, hat sich dem Anschein nach nichts geändert, doch in Abrahams Bewusstsein ist nichts mehr wie früher. Er hat nicht einfach vergessen, jenen Sohn – das „Geheimnis“ zwischen ihm und Gott, in dessen Erwartung er alles riskiert hatte und den ihm schließlich nicht Sara, sondern unmittelbar Gott geschenkt hatte – jemals erwartet und erhalten zu haben, sondern „weiß“ es jetzt schlicht nicht, ja er ahnt noch nicht einmal, es jemals gewusst zu haben. Sein Bewusstsein ist nun vollkommen neu, jener Sohn wird ihm erst jetzt geboren, erst jetzt erhält er ihn als etwas Neues und als Geschenk Gottes; erst jetzt kann er die Verheißung vernehmen und in Isaak den Sohn der Verheißung erkennen, erst jetzt besteht zwischen ihm und Gott kein „Geheimnis“ mehr und seine Freude ist nun endlich vollkommen rein.
Etwas Ähnliches könnte man vielleicht von Luthers Seele im Jahr 1519 sagen: Aufgrund der Verheißung einer theologischen Vaterschaft, die das „Geheimnis“ zwischen ihm und Gott darstellt, wurde Luther-Abraham gegen den Willen seines Vaters Mönch, und Professor gegen seinen eigenen Willen; endlich scheint er sie auf wundersame Weise durch Augustin errungen zu haben – gerade als er die menschliche Gewissheit hatte, nichts mehr vom afrikanischen Kirchenvater erwarten zu können, wie Abraham von Sara. Nun merkt er aber, doch noch unglücklich zu sein, und dass seine Theologie in Wirklichkeit nicht die ist, die Gott ihm versprochen hatte, sondern sogar das Gegenteil davon; und er erkennt dass Gott, während er ihm dies alles bewusst macht, von ihm auch verlangt, sie aufzugeben. Anstatt nun an ihr festzuhalten und Gott weiterhin zu hassen, „glaubt“ Luther einfach, dass Gott keineswegs gerade sein Versprechen bricht, sondern ihm offenbart, dass es sich – entgegen dem Anschein, dass es bereits verwirklicht sei – in Wirklichkeit erst noch erfüllen muss. Als Gott ihm dann, nicht mehr durch Augustin sondern unmittelbar, seine Theologie unverändert im neuen modus des Glaubens zurückgibt, und es den Anschein hat, als würde Luther sie weiterhin unverändert vertreten, als sei nichts gewesen, ist diese Theologie in Wirklichkeit, „für ihn“, tatsächlich völlig neu: Er weiß nichts von der Verheißung und es gibt kein Geheimnis zwischen ihm und Gott, er hat nie etwas bei Augustin „entdeckt“ und „weiß“ auch nichts mehr von dem, was er früher lehrte; er kennt nur noch, was Gott ihm im Glauben, ausschließlich durch den modus des Glaubens offenbart hat, und sein Gewissen ist endgültig rein und unbeirrbar schlicht.
Der Kampf zwischen Gott und Satan setzt sich in ihm fort, wie auch Abraham weiterhin mit väterlicher Sorge auf Isaak blicken wird; im simul bleibt das Wissen um die Sünde bestehen, aber nur als der „Stachel im Fleisch“, von dem Paulus spricht, um ihn daran zu hindern, zu anmaßend zu werden, weil Gott bereits gesiegt hat. Die Erfahrung der Gnade, die eigentliche „Bekehrung“ durch den modus gratiae, stellt also keineswegs bloß eine radikale Vereinfachung des Bewusstseins dar – die praeparatio ad gratiam selbst stellt, wie wir im Frühjahr 1518 gesehen haben, vielmehr seine größte Verwicklung dar –, sondern die Schaffung eines völlig neuen Bewusstseins. Kurzum: Auch Luther könnte ein „Ritter des Glaubens“ gewesen sein; Kierkegaard gibt zwar an, niemals einem begegnet zu sein, und beschreibt in einigen wundervollen Seiten von „Furcht und Zittern“ den Ritter des Glaubens so, wie er ihn sich eben „vorstellt“. Doch er, der weder Philosoph noch Theologe, weder Ehemann noch Professor oder Pastor sein will, sondern eben nur ein „christlicher Schriftsteller“, ist und bleibt vielleicht zu „deutsch“, zu „lutherisch“ und eben auch zu „christlich“. Vielleicht musste erst noch ein Anderer kommen, der nichts von all dem ist, um mit der „Unbekümmertheit der Krähen“(1) in Luther einen Abraham zu erkennen.
Auch Luther könnte also ein „Ritter des Glaubens“ gewesen sein; seiner neuen Demutstheologie entspricht es aber wohl eher, ihn sich nicht als Ritter, sondern vielmehr – nach dem berühmten Satz in De servo arbitrio – als Pferd vorzustellen, als jenes „iumentum“, um dessen Sattel Gott und Satan kämpfen: „Sic humana voluntas in medio posita est, ceu iumentum, si insederit Deus, vult et vadit, quo vult Deus […] Si insederit Satan, vult et vadit, quo vult Satan, nec in eius arbitrio ad utrum sessorem currere aut eum quaerere, sed ipsi sessores certant ob eum obtinendum et possidendum“ (WA18, 635,17). Die Haltung des Menschen ist in Wirklichkeit also keineswegs neutral, als wären wir nur spectatores, Zuschauer dieses Kampfes um Leben und Tod, wie Luther auch etwas später Erasmus vorhält: „Tu qui fingis voluntatem humana esse rem in medio libero positam ac sibi relictam, facile simul fingis, esse conatum voluntatis in utram partem, quia tam Deum, quam diabolum fingis longe abesse, veluti solum spectatores mutabilis illius et liberae voluntatis, impulsores vero et agitatores illius servae voluntatis, mutuo bellacissimos, non credis“ (WA18, 750,5). Dieser Kampf „abest longe“ tatsächlich fast immer, der vollzieht sich in der Regel fernab unseres Bewusstseins; und erst wenn uns die Gnade widerfährt, dass Gott Satan die Macht unmittelbar in uns streitig macht, erst dann erfasst und erschüttert uns dieser Kampf, bis der Finger Gottes den Teufel aus dem Sattel hebt, wie es Luther in einer Nacht des Jahres 1519 – warum auch nicht? – in jener Latrine(2) widerfährt: „Aut enim regnum Satanae in hominibus nihil erit, et sic Christus mentietur, Aut si regnum eius tale est, quale Christus describit, liberum arbitrium nihil nisi iumentum captivum Satanae erit non liberandum, nisi prius digito Dei eiiciatur diabolus“ (WA18, 750,11). Luther ist also bereits gezähmt, gesattelt und Reittier Gottes; doch ausgerechnet jener Finger Gottes, der Satan aus dem Sattel geworfen hat, lässt diesen dennoch in seinen Fersen stecken, sodass er ihn nun hinkend – wie Jakob – macht. Er hindert ihn zwar nicht mehr daran, „coram Deo“ zu traben, doch simul verbleibt er „coram eo“, für ihn selbst, als Stachel im Fleisch, und „coram nobis“ als Pferdefuß, der immer noch wieder hervorschaut.
Seine früheren Geheimnisse hat Luther 1519 vergessen, oder hat sie besser gesagt niemals „gewusst“. Doch sie kehren hin und wieder zurück, sie „erinnern“ sich seiner, sie „wissen“ ihn, jener Stachel lässt ihn bluten und jener Pferdefuß lässt ihn vor uns als geheimnisvoll hervorschauen. Coram Deo hat Luther diese Geheimnisse andererseits nicht mehr, ja hat sie niemals gehabt; er hat sie aber weiterhin für uns, sonst wäre es nicht so schwierig gewesen, einige von ihnen wenigstens zu „theologisieren“. Einem italienischen Sprichwort zufolge macht der Teufel Kochtöpfe, aber keine Deckel. In Luthers Fall trifft dies dahingehend zu, dass der Teufel den Kochtopf gemacht hat, doch Gott – der stets „sub contraria specie“ handelt, um nur was er will wem er will zu offenbaren – hat nicht etwa den Deckel gelüftet, sondern ihn sogar versiegelt; also versucht nun der Teufel – der stets „sub propria specie“ handelt, also um alles allen zu verraten, auf dass alles allgemein bekannt sei, aber nur nach seinem modus –, den Deckel abzunehmen. Dazu ist aber nur Gott in der Lage: Nur Gott kann „christianisieren“, was der Mensch pelagianisch „theologisiert“, und so wird es wohl auch in diesem Fall sein. Diese Geheimnisse – und mit ihnen natürlich viele weitere – müssen uns also erst noch durch den einzig möglichen modus offenbart werden; bis dahin können wir aber wenigstens, da uns ein viel schwerwiegenderes Hinken nur zu Theologen und – noch? – nicht zu Christen macht, unser Wägelchen zuversichtlich von diesem pferdefüßigen Pferd Gottes ziehen lassen.

 

(*) Ursprünglicher Anhang zu Stefano Leoni, Der Augustinkomplex. Luthers zwei reformatorische Bekehrungen, in: „Reformatorische Theologie und Autoritäten. Studien zur Genese des Schriftprinzips beim jungen Luther“, hrg. von Volker Leppin, Mohr Siebeck, Tübingen 2015, S. 185-294. Übersetzung von Sylvia Mair. Ursprünglichen Titel, Inhaltsverzeichnis bzw. Zusammenfassung:

Gottes pferdefüßiges Pferd. Der Philosoph, der Theologe, der Christ: Luthers zwei reformatorische Bekehrungen

Einleitung: Ein reformatorischer Durchbruch?
1. Antequam in libros Augustini incidissem: der pelagianische Philosoph
1.1 Modus loquendi theologicus
1.2 Recte dicunt Doctores
2. Profundior theologia: der antipelagianische Theologe
2.1 Ego aliquando intellexi, quod nostro arbitrio fiat Vel non fiat salus
2.2 Ne tantillum quidem favoris Augustinus apud me habuit
2.3 Theologia nostra et S. Augustinus, interpres Pauli fidelissimus
Vorläufiger Schluß: „Ein“ reformatorischer Durchbruch. Der Augustinkomplex
3. Miserente Deo coepi intelligere: der Christ
Schluß: Zwei reformatorische Bekehrungen. Phänomenologie der Gnade
Literarischer Anhang: Gottes pferdefüßiges Pferd

1. Bei dem Versuch, die verwickelten Fragen zu klären, die Luthers Selbstzeugnis von 1545 über den sogenannten „reformatorischen Durchbruch“ erhebt, sind wir von einer näheren Betrachtung seines Verhältnisses zu Augustin ausgegangen. Dabei konnten wir in seinen Werken bis Ende 1514 Folgendes beobachten: a) Die frühe Ablehnung der auf einer „substantialistischen“ Ontologie gründenden augustinischen Trinitätstheologie, danach ein vollständig ausgearbeiteter modus loquendi theologicus, also ein „relationales“ und spezifisch theologisches Verständnis vom Sein Gottes und des Menschen, auf das sich von nun an Luthers gesamte Lehre über Glauben und Anrechnung stützen wird; gleichzeitig b) einen gutgläubig aber eindeutig pelagianischen Ansatz im Hinblick auf die Beziehung zwischen Gnade und freiem Willen, und ein zunehmendes Desinteresse für Augustin überhaupt.
2. Nach einer dokumentarischen Lücke von mehreren Monaten offenbart uns dann aber die Römerbriefvorlesung, dass Luther in der Zwischenzeit die antipelagianischen Schriften des Augustin „entdeckt“ hat, der ihn nun bei der Neuinterpretation des Paulustextes und bei der gänzlich neuen Ausrichtung seiner eigenen Theologie führt. Er behält zwar den modus loquendi theologicus bei, legt diesem nun allerdings nicht mehr eine pelagianische, sondern eine radikal augustinische Auffassung des Christentums zugrunde, und zwar im Sinne des antipelagianischen Augustins.
Diese „augustinische“ Wende wird von ihm vorsichtig in einigen Briefen zugegeben, sie wird aber auch in seinem Umfeld deutlich wahrgenommen und durch den gegen die scholastische Theologie gerichteten Vorwurf des Pelagianismus bestätigt – der er früher in diesem Punkt überzeugt gefolgt war. Diese Wende führt ihn unmittelbar zur Auseinandersetzung mit der römischen Kirche – die er ebenfalls, von den 95 Thesen an, implizit des Pelagianismus bezichtigt – und wird seine Theologie, zumindest bis einschließlich der Heidelberger Disputation, grundlegend prägen. Dieser durch Augustin ausgelöste theologische Umschwung, vom Pelagianismus zum Antipelagianismus, scheint also den eigentlichen „reformatorischen Durchbruch“ darzustellen und könnte uns helfen, das Rätsel des Selbstzeugnisses von 1545 zu lösen.
Das Problem besteht allerdings darin, dass Luther sich nie zu dieser augustinischen Wende bekennt oder sie überhaupt erwähnt, ganz im Gegenteil: Bei der Schilderung des Durchbruchs spricht er Augustin ausdrücklich jede Rolle dabei ab. Dieses Verhalten ist bezeichnend und erinnert an viele weitere Schwierigkeiten in Luthers Verhältnis zum afrikanischen Bischof, hinter denen sich das verbirgt, was wir als Augustinuskomplex bezeichnen. Da die Wende von 1515 eine unbestreitbare historische Tatsache darstellt, lässt sich dieses Problem nur lösen, indem wir der Frage nachgehen, ob Luther im Rückblick von 1545 tatsächlich diese einzige Wende beschreibt – allerdings auf absichtlich verzerrte Weise -, oder ob er sich vielleicht auf eine zweite Wende bezieht, die es allerdings noch näher zu bestimmen gilt.
3. Zur Beantwortung dieser Frage widmen wir uns wieder der Analyse des Selbstzeugnisses von 1545. Im Abstand von nur wenigen Seiten schildert hier Luther zweimal seine persönliche Situation um die Mitte des Jahres 1519, kurz vor seiner Erkenntnis, doch die beiden Beschreibungen sind miteinander unvereinbar. Zunächst stellt er sich so dar, wie ihn alle kennen und wie er sich selbst empfand: Als gelehrten Theologen, der bereits die Auffassung einer Rechtfertigung durch den Glauben in antipelagianischem Sinne vertritt, und der vor diesem Hintergrund die Kirche wegen ihrer pelagianischen Ausrichtung angegriffen hat. Danach beschreibt er sich jedoch als armen Mönch, der selbst noch zutiefst pelagianisch ist und den die Vorstellung eines strafenden Gottes bedrückt – was in vollkommenem Gegensatz zu dem steht, was er selbst stets gelehrt hatte -, der Hass empfindet für einen solchen Gott und daran zweifelt, Paulus und das Christentum überhaupt jemals verstanden zu haben.
Dieser Widerspruch offenbart, dass Luther sich selbst vor der Erkenntnis so sieht, wie er coram se et hominibus ist, und erst danach seines wahren coram Deo-Seins gewahr wird. Die Erkenntnis selbst besteht in einem Gottesverständnis, das – in einem wörtlichen Sinn – genau dasselbe ist, das er vorher vertreten hatte – und von dem er sich natürlich “zu glauben glaubte” -; doch das „Wie“, der modus ist jetzt ein gänzlich anderes: Was zuvor nur eine „Theologie“ – auf menschlichem Wege erworben und besessen, also nur die primitiae fidei –, und deshalb insgeheim von Furcht und Hass geprägt war, wird nun endlich zum – ausschließlich als Gottesgabe empfangenen – befreienden und seligmachenden, wahren „Glauben“. In diesem Sinn ist das Selbstzeugnis von 1545 vollständig wahr, und darf bzw. soll wörtlich verstanden werden.
Durch diesen Glauben, den er erst jetzt auch in Augustin wiederfindet, versteht Luther, dass das Papsttum nicht nur ein menschliches Konstrukt, sondern Teufelswerk ist, und er gibt ihm die Kraft, endgültig den Bruch zu wagen und die neue Kirche zu errichten. Die „antipelagianische“ Wende von 1515 hatte zwar zum Angriff gegen die Kirche geführt, und kann somit unter historischen Gesichtspunkten als zumindest „ein“ reformatorischer Durchbruch angesehen werden; doch es ist die „mystische“ Wende von 1519, die ab jenem Zeitpunkt den für Luther einzig wahren, kurzum: „den“ reformatorischen Durchbruch darstellt.
4. Durch unsere Interpretation und Rekonstruktion können wir also die Rätsel lösen, die wir als Augustinuskomplex bezeichnet haben, darunter vor allen Dingen, warum Luther nie von der Wende von 1515 spricht; darüber hinaus haben sie uns ermöglicht, bei Luther bis 1519 zwei regelrechte „Bekehrungen“ aufzudecken, und sie machen den Grund für die besondere Gliederung unseres Aufsatzes deutlich. Vor 1515 ist Luther ein pelagianischer Theologe, de facto eigentlich ein Philosoph. Durch die Bekehrung von 1515 wird er zum antipelagianischen Theologen coram se et mundo, aber eben „nur“ zum Theologen. Erst durch die Bekehrung von 1519 wird er auch zum antipelagianischen Theologen coram Deo, und folglich erst jetzt, und erst dadurch, zum Christ[en?]. Der Bewusstseinswandel, der sich in ihm vollzieht, und die rückblickende Glaubenserkenntnis, dass Gott ihn dabei, über sein Bewusstsein selbst hinaus und von Anfang an geführt hat, stellen somit ein wunderbares Beispiel einer „Phänomenologie der Gnade“ dar.
5. Im abschliessenden „literarischen“ Divertissement stellen wir uns Luther in der geistlich schwierigen bzw. gefährlichen Verfassung einiger Gestalten wie Ödipus,  Hamlet, Faust vor und wir erkennen in ihm zuletzt den Abraham von Kierkegaard, den „Ritter des Glaubens“. Anlass dazu gibt aber nicht der Ritter, sondern das iumentum, das Pferd, wovon De servo arbitrio spricht. Darüber hinaus muss man nochmals zwischen coram Deo und coram nobis unterscheiden, zwischen dem „Pferd“, das er nun für Gott ist und dem „Pferdefuß“, der immer noch vor uns herausschaut. Gerade in diesem Sinne wollen wir ihn als „Gottes pferdefüßiges Pferd“ darstellen.

(1) Irene Santori, In tempo e disparte, San Casciano in Val di Pesa (Firenze) 2006, XXVIII : „come la veste dell’erba / ti adatti alla terra / con un pendere di stelo senza presagi // e con l’incuria dei corvi / avvisti la vendemmia dei rovi“ (36, in Bezug auf Luk 6,44 e 12,24-28).

(2) Abraham geniert sich nicht, die Verantwortung für die Absicht zu übernehmen, den Sohn der Verheißung zu töten, so wie Bonhoeffer sich nicht geniert, die – christlich genau so gravierende und ihm wie Abraham erspart gebliebene – Verantwortung für die Absicht zu übernehmen, den Tyrann zu töten. Das Reich Gottes schleicht sich nachts herbei wie ein Dieb, und uns erscheint es unpassend, auf der Toilette angetroffen zu werden anstatt am Schreibtisch, während wir gewissenhaft über den Tag Bilanz ziehen? Als ob sich zudem, wie Kierkegaard wiederum in „Furcht und Zittern“ schreibt, nicht in jedem Fleischer – zum hohesten Preis, aber gegen das einzige wahre Glück – ein Ritter des Glaubens verbergen könnte.

Literarischer Anhang- Gottes pferdefüßiges Pferd

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Autore: spaparanzato

Stefano Leoni (Roma 1962): studentino invecchiato, dottore non addottorato, docente di ruolo disoccupato, incaricato scaricato, ricercatore (non) ricercato, mercante fuori mercato, pensionante pensionato; ebreo battezzato, cattolico praticato, volontario svogliato, progressista arretrato, piccolo-borghese ingrassato; primogenito screanzato, coniuge congedato, padre espatriato, amico ammalorato; paranoico, paraplegico, parassita, paranormale; spaparanzato…

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